Archivorganisation und Aktenführung im 19. Jahrhundert
Neuordnungen und Nacherschliessungen hat das Staatsarchiv Nidwalden schon einige erfahren. Im aktuellen Nacherschliessungsprojekt kamen anschauliche und aufschlussreiche Dokumente zur Archivorganisation im 19. Jahrhundert zum Vorschein.
Verbriefte Rechte feuersicher aufzubewahren und über Inventare zugänglich zu machen, war schon den mittelalterlichen Herrschaftsträgern ein wichtiges Anliegen. Für den Kanton «Unterwalden nid dem Wald» ist belegt, dass wertvolle Urkunden und Dokumente bereits in alteidgenössischer Zeit in einer Schatzkammer im sogenannten «Schelmenturm» im Stanser Rathaus aufbewahrt wurden. Die laufenden Akten und Korrespondenzen hingegen führten und lagerten die Landschreiber und Behördenmitglieder meist im «Homeoffice», d. h. in ihren für die Ausübung öffentlicher Aufgaben genutzten Privatwohnungen.
Die Erstellung eines vollständigen Nidwaldner Archivinventars wurde erstmals 1737 in Auftrag gegeben, nachdem der Rathausbrand von 1729 eine «gäntzliche Verwirrung» und «ohnbeschreybliche Confusion» in das in der Kanzlei aufbewahrte Schriftgut gebracht hatte. Ganze vier Jahre musste der damalige Landschreiber Felix Leonti Keyser investieren, um die Bündnisse, Marchungen (Grenzverträge), Abschiede und Briefschaften wie auch die Protokolle, Amtsbücher und weitere Akten mit «gesundem Verstandt und Besten Treüwen» in eine chronologische und nach Sachgruppen eingeteilte Systematik zu bringen. Die damalige Archivordnung, für deren Umsetzung neue – «Trucken» genannte – Archivschränke angefertigt wurden, überdauerte ein ganzes Jahrhundert. Mit der Professionalisierung des Archivwesens im 19. Jahrhundert und spätestens mit der Bundesstaatsgründung von 1848 wurde dann aber eine Überarbeitung der vormodernen Archivstruktur unumgänglich.
Wie schon andere Kantone nahm die Nidwaldner Regierung im Juni 1851 eine vollständige «Regulierung» ihres Archivs nach den damals aktuellsten wissenschaftlichen und archivpraktischen Vorgaben in Angriff. Eine Archivkommission wurde bestellt, ein Archivplan für die Einordnung und Verzeichnung der Akten wurde in angepasster Form vom Staatsarchiv Zürich übernommen. Der erste Landschreiber Arnold Odermatt wurde zum Nidwaldner Landesarchivar ernannt, die anspruchsvolle Aufgabe hatte er im Nebenamt zu erledigen. Für die Überarbeitung des Urkundenarchivs konnte der erfahrene Luzerner Stadtarchivar Joseph Schneller gewonnen werden, der schon in Schwyz und Uri Archivbereinigungen vorgenommen hatte. Anschauliche und aufschlussreiche Dokumente dieser ersten wissenschaftlichen Archivorganisation sind nun im Rahmen des aktuellen Nacherschliessungsprojekts zum Vorschein gekommen, so etwa ein unveröffentlichtes Archivreglement vom 31. Dezember 1852, Darstellungen und Pläne des Alten Archivs, also der ehemaligen Schatzkammer im Rathausturm, zudem Berichte und Korrespondenzen wie auch Gutachten zu weiteren Archivbereinigungen im 19. Jahrhundert.
Monika Burri