Felszeichnungen Wissiflue in Emmetten (ca. 17. bis 18. Jh.)
Im April 2011 entdeckte eine Gruppe von Nidwaldner Höhlenforschern an einer Felswand bei der Wissiflue ob Beckenried zahlreiche Ritzzeichnungen. 2013/14 wurden die Ritzzeichnungen archäologisch dokumentiert.
Da die Felswand zum Teil deutlich überhängend ist, stellte sich die Frage, ob der Platz zeitweise Hirten oder Jägern, die von einem Unwetter überrascht worden waren, als Unterstand gedient hatte. Während der Untersuchung wurden zwei Sondierschnitte angelegt, um festzustellen, ob sich auch im Boden Spuren menschlicher Anwesenheit befinden. Allerdings ergaben sich daraus keinerlei Hinweise auf eine Nutzung oder auf Siedlungen. Die V- oder U-förmig eingeritzten Felszeichnungen zeigen viele religiöse Motive.
Unter den religiösen Motiven finden sich verschiedenartige Kreuzdarstellungen, Kreuze mit christlichen IHS-Inschriften sowie solche in Zusammenhang mit Zeichnungen von Kirchen oder nicht genauer identifizierbaren Bildern. Verschiedentlich lassen sich auch Zahlen erkennen, die als Teile von Jahreszahlen interpretiert werden. Die vollständige Jahreszahl 1799 steht bei einem Kreuz und weist wohl auf ein bedeutendes Ereignis im Leben des Schreibers bzw. Zeichners hin. Weitere Inschriften können als Initialen der Zeichner gedeutet werden.
Unter den nicht religiösen Darstellungen finden sich Bilder von maskentragenden Wesen, die durch Augen, Mund und Ohren eindeutig als menschenähnliche Gestalten erkennbar sind. Diese Figuren zeigen horn- oder geweihartige Kopfbedeckungen. Vergleichbare Figuren mit Masken treten im alpinen Raum häufig auf und werden zum Teil auch heute noch bei Umzügen getragen. Sind auf der Felswand an der Wissiflue vielleicht Gestalten aus der Innerschweizer Sagenwelt dargestellt worden?
Soweit erkennbar, scheinen die Felszeichnungen bei der Wissiflue durchgehend aus der Neuzeit zu stammen, vermutlich sind sie hauptsächlich im 17. und 18. Jh. entstanden. Die Zeichnungen stellen ein wichtiges Zeugnis vom Leben der Menschen und einer heute kaum mehr existierenden Volksfrömmigkeit dar. Teile der Bevölkerung, die sonst kaum in die historischen Quellen Eingang finden, werden hier auf eindrückliche Weise greifbar.
Literatur
Nielsen, Ebbe, Blättler, Hubert, Winteregg, Miriam: Neuzeitliche Felsbilder aus Beckenried-Wissiflue (NW), in: Archäologie Schweiz 38 (2015), S. 36-41.