Dorfkern und Dorfplatz in Stans (12. bis 18. Jh.)
In der Nacht vom 16. auf den 17. März 1713 brannte Stans lichterloh. Am Morgen danach war das Dorf eine riesige Brandruine. Innert weniger Stunden waren 81 Häuser niedergebrannt – darunter das Rathaus, das alte Spital, Wohnhäuser, Gewerbelokale, Gasthäuser, Schuppen und Speicher. Der zügig an die Hand genommene Wiederaufbau nach den Plänen der Luzerner Stadtbaumeister veränderte das Dorfbild stark: Die Ruinen der Häusergruppe auf dem heutigen Dorfplatze wurde abgerissen und auf dem freigewordenen Raum ein grosszügiger neuer Dorfplatz angelegt. Die angrenzenden Häuser wurden planmässig, nach einheitlichen Vorgaben und in gebührendem Abstand zur Kirche neu gebaut. So entstand der heute noch bestehende Dorfplatz auf den Ruinen abgebrannter Häuserzeilen.
2003 gestaltete die Gemeinde Stans den Dorfplatz neu. Die Neupflästerung des Platzes sowie umfangreiche Kanalisationserneuerungen machten eine archäologische Rettungsgrabung auf dem Dorfplatz und den angrenzenden Strassen nötig. Das zeitlich sehr knapp gehaltene Bauprogramm erlaubte zwar nur eine baubegleitende archäologische Dokumentation. Dennoch bot sich die einmalige Gelegenheit, die 1713 abgebrannte Häuserzeilen zu untersuchen. Schlussendlich ergab die Grabung einige Überraschungen und erlaubte spannende Einblicke in die Dorfgeschichte.
Die vielleicht spannendste Entdeckung waren Brandhorizonte, die vor 1713 entstanden sein mussten. Es waren Reste eines Dorf- oder Quartierbrands, der vor 1713, wahrscheinlich im 16. Jahrhundert, zumindest im unteren Dorfteil gewütet hatte. Dieser frühere Brand war nicht mehr bekannt, weil er in zeitgenössischen schriftlichen Quellen nirgends Erwähnung gefunden hatte. Lediglich der Chronist Johann Laurenz Bünti berichtete 1713 zu den Aufräumarbeiten des (bekannten) Dorfbrandes, dass an mehreren Stellen im Boden alte Mauer- und Bodenreste sowie Brandspuren gefunden wurden.
Die Baubegleitung 2003 ergab zudem Einblicke in die materielle Lebenswelt der Stanser und Stanserinnen um 1700. Im Dorfkern zwischen Rathaus und Kirche wohnten begüterte Handwerksmeisterfamilien. Diese dörfliche Oberschicht aus Gewerbetreibenden lebte in relativem Wohlstand und zeigte dies auch: Viele der gefundenen Gegenstände haben repräsentativen Charakter. In diesem Punkt scheinen die wohlhabenderen Stanser dem städtischen Gewerbe nicht nachgestanden zu haben.
Eine spätere Ausgrabung von 2015 am Rand des Dorfkerns ergänzte diese Resultate. Östlich des Dorfzentrums am Oberlauf des Dorfbachs schloss ein altes Handwerksquartier an. Die ältesten Funde weisen ins 12. Jahrhundert. Funde wie Eisenschlacken weisen auf einen eisenverarbeitenden Betrieb, vielleicht eine Schmiede, hin. Dies wäre – wie auch die Lage am Dorfbach – typisch für mittelalterliches Gewerbe. Die Grabung 2015 erbrachte den Nachweis, dass Stans bereits im Hochmittelalter ein regionales Zentrum mit starkem dörflich-bäuerlichem Gewerbe war.
Literatur
Obrecht, Jakob, Springer, Anita, Weber, Emil: Stans NW vor dem grossen Dorfbrand von 1713. Archäologische Befunde und Funde der Ausgrabungen Dorfplatz und Spittelgasse 2003, Antiqua 49, Basel: Archäologie Schweiz 2011.