Burg Rotzberg in Ennetmoos (11. bis 13. Jh.)
Von der hochmittelalterlichen Burg auf dem Rotzberg ist heute nur noch die Ringmauer sichtbar. Grabungen durch Robert Durrer 1899 und Werner Meyer 1988 brachten weitere Fundamente, Fundstücke und Erkenntnisse ans Tageslicht; zugleich sind die beiden Grabungen ein gutes Beispiel für den Fortschritt archäologischer Methoden.
Eine grosse Rolle spielt die Rotzburg in der sogenannten "eidgenössischen Befreiungstradition", einer legendenhaften Erzählung über die Entstehung der schweizerischen Eidgenossenschaft. Entstanden im 15. Jahrhundert erklärte die Befreiungstradition die Entstehung und – wichtig – die Daseinsberechtigung der Eidgenossenschaft aus damaliger Sicht. Die Erzählung sollte die Entstehung der Eidgenossenschaft nicht nur beschreiben sondern auch rechtfertigen. Tatsächlich war die Eidgenossenschaft im 15. und 16. Jahrhundert als lockerer Verbund reichsfreier Territorien, die nicht durch eine Landesherrschaft zusammengehalten wurden, ein aussergewöhnliches Staatswesen. Im Schwabenkrieg 1499 zwischen der Eidgenossenschaft und Habsburg-Österreich und dem Schwäbischen Bund musste der Bestand der Eidgenossenschaft gerechtfertigt werden.
Die Befreiungstradition erklärte die Entstehung der Eidgenossenschaft mit einem Aufstand der innerschweizerischen Talschaften gegen ihre habsburgischen Vögte. Diese hätten die Bevölkerung tyrannisiert und mit ungerechten Abgaben und Strafen gegeisselt. Die Bauern hätten sich dagegen aufgelehnt und die Vögte, immerhin die Repräsentanten der Herrschaft und damit der christlichen Ständeordnung, aus dem Land vertrieben. Im sogenannten "Weissen Buch von Sarnen", einer Chronik aus den 1470er Jahren, wird die Befreiungstradition als eindrückliche Geschichte erzählt: die Willkürherrschaft der Vögte, Wilhelm Tells Apfelschuss, der Rütlischwur, der Burgenbruch, der Aufstand der Eidgenossen gegen die bösen Vögte. Für Nidwalden sind es die Geschichte von Konrad Baumgarten, der den Vogt von Wolfenschiessen wegen versuchter Nötigung seiner Frau im Bad erschlägt, und die Erzählung, wie Aufständische die Rotzburg in einem Handstreich erobern, nachdem eine Magd ihnen den Zugang ermöglicht hat.
Robert Durrers Grabungen auf der Rotzburg und auf anderen zentralschweizerischen Burgen schienen die Befreiungsgeschichte zunächst zu bestätigen. Erst die erneute Überprüfung der schriftlichen Quellen in den 1970er Jahren weckte Zweifel an einem antihabsburgischen Aufstand in der Zentralschweiz um 1307. Die mit modernen wissenschaftlichen Methoden durchgeführte Grabung von Werner Meyer brachte 1988 den Beweis. Die Rotzburg wurde bereits im frühen 11. Jahrhundert – lange bevor die Habsburger in der Zentralschweiz aktiv waren – gegründet. Sie wurde aber bereits zwischen 1210 und 1230 verlassen. 1314, zum Zeitpunkt des vermeintlichen Burgenbruchs, war die Rotzburg schon lange leer und bereits eine Ruine. Wer die Rotzburg gebaut und bewohnt hat und wieso sie verlassen worden ist, ist nicht mehr bekannt. Vermutlich waren aber weder ein Aufstand noch kriegerische Ereignisse die Gründe. Wahrscheinlicher ist, dass die Rotzburg wirtschaftlich nicht rendierte und aus finanziellen Gründen verlassen wurde.
Literatur
Meyer, Werner: Rotzburg NW. Ergebnisse der Sondierung 1988, in: Nachrichten des Schweizerischen Burgenvereins 61 (1988), S. 102-112.
Meyer, Werner: Die Eidgenossen als Burgenbrecher, in: Der Geschichtsfreund 145 (1992), S. 5-95.