Weinhandel und Inkassounternehmen: Geschäftsakten aus dem 19. Jh.
Neu erschlossene Bestände aus dem Familienarchiv Durrer dokumentieren verbreitete Unternehmenstätigkeiten des 19. Jahrhunderts: Geschäftsagent Anton Albert Durrer verdiente sein Geld als professioneller Schuldeneintreiber. Sein Bruder Franz Durrer, langjähriger Nidwaldner Polizeidirektor, unterhielt einen florierenden Weinhandel.
In der ländlichen Gesellschaft Nidwaldens war der Bodenkredit über lange Zeit das gebräuchlichste Mittel der Geldbeschaffung. Wie in den meisten Zentralschweizer Kantonen herrschten noch im 19. Jahrhundert die seit dem Mittelalter bekannten «Gülten» vor, Vorformen der Hypothek, bei welchen der Schuldner nicht persönlich haftete. Der Gläubiger kaufte beim Grundstückinhaber eine Rente, die als Grundlast auf dem Grundstück lag und zog dafür Zinsen ein. Gülten konnten verpfändet, verkauft oder vererbt werden und waren auch bei kleinerem Vermögen eine beliebte Kapitalanlage. Das Einziehen der periodisch anfallenden Zinsen wurde von den Gläubigern meist nicht selber vorgenommen. Treuhänder, sogenannte Geschäftsagenten, boten diese Dienstleistung an. Sie führten auch Liquidationen und Erbteilungen durch oder übernahmen die Buchführung für Dritte.
Einen bestens dokumentierten Einblick in die Tätigkeit eines Geschäftsagenten vermittelt das Firmenarchiv von Anton Albert Durrer-Fruonz (1793-1865), Grossvater des Staatsarchivars und Kunsthistorikers Robert Durrer (1867-1934), das als Teil des Familienarchivs Durrer geordnet und verzeichnet wurde. Nach dem Tod seines Vaters Valentin Durrer-Stockmann (1763-1813) führte der zweitälteste Sohn Anton Albert zunächst das väterliche Färberei- und Handelsgeschäft weiter, bevor er sich 1825 als Geschäftsagent mit Büro in Stans selbstständig machte. Seine Haupterwerbszweige waren Vermögensverwaltung, Versicherungswesen und Inkassogeschäft. Für das Einziehen von Zinsschulden beschäftigte er Angestellte, so genannte Einzüger, und unterhielt ein vorbildlich organisiertes Buchführungssystem. Seine Geschäftskenntnisse brachte er auch in politischen Ämter und Aufgaben ein, so etwa als Präsident der Armenverwaltung, als Mitglied der Liquidationskommission oder als Vormund für Waisenkinder.
In engem Kontakt stand Anton Albert Durrer auch mit seinen Brüdern, insbesondere mit seinem älteren Bruder Franz Durrer-Jann (1790-1857), Landammann, Nationalrat und langjähriger Nidwaldner Polizeidirektor, der zur Zeit des Sonderbunds die Fraktion der Konservativen anführte. Neben seiner Amtstätigkeit betrieb Franz Durrer einen florierenden Weinhandel und war Besitzer des Gasthofs Schlüssel in Stans. Zeitweilig unterstützte er Anton Albert beim Eintreiben von Zinsen, während dieser dem Politiker bei der Aktenführung zur Hand ging. Als Zinseinzüger betätigte sich auch der jüngere Bruder Valentin Durrer-Flury (1800-1851), der das väterliche Färbereigeschäft weiterführte und der neben den beruflichen Aufgaben Zeit für geschichtsforschende Tätigkeiten fand. Rund 20 sogenannte Kollektaneenbücher sind von ihm überliefert, handschriftliche Zusammenstellungen von Literatur- und Quellenabschriften, historischen und statistischen Materialien mit Bezug zum Kanton Nidwalden.
Monika Burri